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Carsten Schabacher

„Wenn das Training vorbei ist, heißt es warten“

Miriam Welte berichtet über die Vorbereitung zu ihrem ersten Keirin-Rennen in Japan

Vor dem Keirin-Rennen

Miriam Welte ist die erste deutsche Sprinterin, die zur Internationalen Keirin-Serie „Girl’s Keirin“ in Japan eingeladen wurde. Auf ihrer Internetseite, www.miriamwelte.de, beschreibt die von Stevens unterstützte Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Teamsprint den Ablauf ihres ersten Keirin-Rennens und warum Erfahrungen beim „Activity“-Spielen hilfreich sein können.

Zuvor hatte sie an einem zwei Wochen dauernden Crashkurs teilgenommen, um das umfangreiche Regelwerk der Bahnsprint-Variante zu lernen. Keirin wird auch als „Kampfsprint“ bezeichnet, Ellenbogeneinsatz ist ausdrücklich erlaubt, und ebenso das Fahren von Schlenkern. Auf Tempo von etwa 50 Stundenkilometern werden sie von einem Schrittmacher gebracht. Miriam Welte: „Bei den Männern geht das sehr robust zu, bei uns Frauen war das schon gesitteter – schließlich will keiner stürzen.“

Da beim Keirin auf den Rennausgang gewettet wird – eingeführt wurde Keirin in Japan nach dem Zweiten Weltkrieg als Ersatz für Pferdewetten –, werden die Teilnehmer für die Wettkampfzeit und für die Vorbereitung von der Außenwelt abgeschottet. Das Finale ihres ersten japanischen Keirin-Rennens hatte die Sprinterin gegen ihre sechs Konkurrentinnen übrigens gewonnen.

Miriam Welte war insgesamt für fünfeinhalb Wochen in Japan. Ihr zweites Rennen konnte sie ebenfalls für sich entscheiden, beim dritten wurde sie fünfte. Ihr Fazit: „Cool, das hat echt Spaß gemacht.“ Zwar sei es vor und während des Rennens manchmal etwas einsam gewesen, aber zwischendurch hatte sie viel vom Land gesehen. „Das ist richtig richtig schön, ich habe viel gesehen und einige Sachen gegessen, die ich zuvor nicht kannte. Ich würde sofort wieder hinfahren, bekäme ich die Möglichkeit dazu.“

Mein erstes Keirin Rennen

Ein Keirin-Rennen besteht aus insgesamt vier Tagen. Am ersten, dem sogenannten „Zenken“-Tag, geht man auf die Radrennbahn. Mit Betreten des Gebäudes sind sofort alle elektronischen Geräte abzugeben, die zur Kommunikation dienen. Meinen iPod darf ich behalten, weil er kein WLan hat.

Dann bezieht man sein Zimmer. Es gibt Schlafkabinen, und es sind immer vier Personen zusammen auf einem Zimmer. Anschließend ist Materialkontrolle. Ich muss zwei Paar Schuhe und meinen Helm mitnehmen, die auf Schäden geprüft werden.

Ist nur ein Kratzer auf dem Helm, muss er ausgetauscht werden. Das dient zur eigenen und zur Sicherheit der anderen. Ich muss zudem direkt am ersten Tag sagen, ob ich mit Überschuhen und Sonnenbrille sowie Handschuhen fahre. Wenn sich das Wetter ändert, bleibt die Brille trotzdem – gut, dass ich die Gläser wechseln kann!! ;)

Nachdem das alles geprüft wurde, geht es zum Rad-Check. Da wird auch alles überprüft, ob das Rad den japanischen Richtlinien entspricht. Wenn das ok ist, folgt ein Gesundheitscheck, um zu überprüfen, ob ich auch wirklich wettkampffähig bin. Ist das alles geschafft, darf ich 20 Minuten trainieren. Das ist übrigens für alle gleich. Genau 20 Minuten Training am Tag sind erlaubt, nicht mehr und nicht weniger.

Wenn das Training vorbei ist, heißt es warten.

Ich bin direkt, als ich ins Velodrom gekommen bin, von Tomo in Empfang genommen worden. Sie hat mir alles erklärt und gezeigt. Ich glaube, ohne ihre Hilfe wäre ich echt aufgeschmissen gewesen. Sie ist auch Keirinfahrerin und hat mir im Laufe des Tages alle anderen Mädels vorgestellt. Ich bin echt super lieb aufgenommen worden, und wir hatten in den vier Tagen in Iwaki eine super schöne Zeit und lustige Gespräche. Pantomime und Zeichnen haben geholfen, sich zu unterhalten. Ich kam mir dabei vor wie früher beim „Activity“ spielen.

An den Wettkampftagen läuft es wie folgt ab: Frühstück bis 09.00 Uhr. Dann muss gewartet werden. Das Gebäude darf während der kompletten vier Tage nicht verlassen werden. Von 12.50 Uhr bis 13.10 Uhr ist Training. Dann noch mal einen kleinen Snack essen, und so gegen 16.00 Uhr beginnt das Warmfahren. Die Trainingszeit am Mittag ist wichtig, weil das die einzige Zeit am Tag ist, außer natürlich das Rennen selbst, an der man an die frische Luft darf.

Also habe ich die Zeit jeden Tag genutzt, um auf die Bahn zu gehen. Ein paar Runden rumrollen, zu schauen wie der Wind und die Temperatur sind. Zudem muss man nach dem Training seinen Gang, die Übersetzung, fürs Rennen festlegen. Das wird offiziell verkündet, und jeder Sportler kann nachschauen, was die Konkurrenz fährt. Nach 13.55 Uhr kann der Gang jedoch nicht mehr geändert werden – auch wenn der Wettkampf erst um 20.00 Uhr ist.

Das Warmfahren muss etwa 50 Minuten vor dem Rennen beendet sein, da man knapp 45 Minuten vor Beginn des Rennens im Warteraum sein muss. Es folgt kurz darauf eine Präsentationsrunde. Die Zuschauer haben so noch einmal die Möglichkeit, alle Fahrerinnen anzuschauen und auf sie zu wetten. Es ist schon ein komisches Gefühl zu wissen, dass die Menschen, die zum Zuschauen kommen, Geld auf deinen Kopf setzen.

Sicherlich habe ich an den ersten beiden Tagen (dritter und zweiter Platz) nicht die Leistung gebracht, die von mir erwartet wurde. Also waren ein paar Zuschauer wohl auch enttäuscht (ich denke, sie haben Geld verloren, weil ich nicht gewonnen habe). Aber ich kann nun auch mal nicht mehr als strampeln und versuchen zu gewinnen. Und das will ich ja auch!

Am dritten Tag, der wichtigste, weil Finaltag, konnte ich dann taktisch alles richtig machen und das Rennen auch gewinnen. Also habe ich den richtigen Lauf gewonnen und ich habe mich wirklich sehr über meinen ersten Keirin-Sieg in Japan gefreut!

 

Ich habe bei meinem ersten Rennen auf jeden Fall sehr viel gelernt:

  1. es wird tonnenweise Wärmecreme verwendet (gut, es hatte auch nur 12 Grad Celsius und ich habe abartig gefroren auf dem Rad)
  2. die männlichen Sportler trinken verdammt viel Alkohol und rauchen
  3. taktisch habe ich mich um einiges verbessert (glaube ich zumindest)
  4. es geht auch mal vier Tage ohne Handy und iPad, auch wenn es zwischendrin ganz schön langweilig ist, weil die Bewegungsfreiheit auf einen Radius von ca. 30 Quadratmeter eingeschränkt ist
  5. schminken gehört bei den Frauen definitiv zur Startvorbereitung dazu
  6. geduscht wird im Sitzen auf kleinen Hockern
  7. viel schlafen verkürzt die Wartezeit bis zum Wettkampf

und noch ein bisschen mehr. Aber wenn ich euch jetzt schon alles verrate, dann habe ich nach dem nächsten Rennen nichts mehr zu schreiben.“

Bilder: www.miriamwelte.de

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