Es gibt steilere Berge, längere Anstiege, höhere Pässe und Gipfelankünfte – doch die Serpentinen des 13,8 Kilometer langen Anstiegs hinauf in den französischen Retorten-Skiort Alpe d' Huez, umwabert ein besonderer Mythos. Und diesen hat nun auch Miriam Welte hautnah erlebt. Am 27. Juni ist sie zusammen mit ihrem Partner Oliver Schäfer und fünf weiteren Freunden die legendären 21 Haarnadelkurven hochgekurbelt, von denen jede ein oder zwei Namen der Etappensieger in Alpe d'Huez trägt. „Ich denke, wir brauchen zwischen 80 Minuten und zwei Stunden“, kalkuliert die Bahn-Olympiasiegerin in der Vorbereitungszeit, und sollte damit ganz gut liegen.
Ankunft im Retorten-Skiort
Bei 1:32 Stunde blieb die Uhr stehen, als Miriam den roten Zielstrich überquerte in dem Skiort, der im Sommer - und das nicht nur in der Corona Pandemie Zeiten - wie ausgestorben wirkt. „Als Sprinterin bin ich eher flaches Gelände gewohnt und maximal 2,5 Stunden auf dem Rad unterwegs. Die Berge sind eigentlich nicht meine Stärke.“ Doch gemeinsam mit dem Ex-Fußballprofi Oliver Schäfer hatte sie in der Heimat trainiert, war den Donnersberg und das Johanniskreuz von allen Seiten hinaufgefahren. Zudem reisten die beiden bereits eine Woche vor dem Tag-X an, um sich auf die steilen Berge vorzubereiten. Gleich am ersten Tag in den französischen Alpen ging es auf einer 100 Kilometer langen Trainingsrunde den 2642 Meter hohen Col du Galibier hinauf, ebenfalls ein Klassiker unter den Bergankünften bei der Tour de France. Am nächsten Tag folgte eine fast sechs stündige Bergwanderung mit knapp 1000 Höhenmetern. Als schließlich die Etappe nach Alpe d'Huez auf dem Tagesplan stand, regnete es zunächst beim Frühstück. Doch davon liessen sich weder Miriam Welte oder Oliver Schäfer, noch ihre Mitstreiter, Rainer und Thorsten Margis, Chris Hajek, Philipp Schneider und Markus Stahnke abhalten, die eigens für das Event designten Radtrikots überzustreifen.
Angriff auf den Berg der Holländer
Nach 20 Minuten Einfahren im Flachen ging es von Le Bourg-d'Oisans hinauf auf den Berg der Holländer, wie er genannt wird, aufgrund der vielen holländischen Etappensieger in der 70er und 80er Jahren bei der Tour. Der Anstieg ist so etwas wie ein Ritterschlag für jeden Rennradfahrer und auch Miriam war noch nie zuvor einen so langen und steilen Anstieg gefahren. Der Respekt war groß: „Es war unheimlich anstrengend, aber machbar“, erzählt sie im Ziel. „Und ich glaube ich habe eine neue Leidenschaft entdeckt und es sind nicht die letzten Pässe, die ich hoch geradelt bin. Die Landschaften und Weiten sind wirklich beeindruckend, die man entdeckt, wenn man oben ankommt.“ Während die Beine noch schmerzen, hat sie schon dass nächste Ziel vor Augen: Das Stilfser Joch (2757 m), der zweithöchste Gipfelpass der Alpen und ein Klassiker beim Giro d'Italia. „Nachdem ich Alpe d'Huez hochgekommen bin, habe ich vor dem, was jetzt kommt, keinen Respekt mehr“, liebäugelt sie schon mit den nächsten Herausforderungen. STEVENS wünscht dabei viel Erfolg und wird auf alle Fälle wieder mit am Start sein.