Stefan Nimke hat nach seiner erfolgreichen Karriere als Bahn-Sprinter – unter anderem mit einem Olympia-Sieg und sechs Weltmeistertiteln – aufs Tandem umgesattelt. Gemeinsam mit dem sehbehinderten Hamburger Kai Kruse arbeitet er nun auf die Teilnahme an den Paraolympischen Spielen 2016 hin.
Nach der Para-Cycling WM in Mexiko im April sprach er mit seinem Ausstatter STEVENS über die Unterschiede zwischen einem herkömmlichen Bahnrad und einem Tandem sowie seinen weiteren Plänen.
Frage: Herr Nimke, die Para-Cycling-WM in Mexiko war für Ihren Partner Kai Kruse und Sie ein erster Härtetest, der mit einem neuen Deutschen Rekord endete. Wie lief das Rennen im 1.000-Meter-Sprint für Sie?
Stefan Nimke: Im Vorfeld hatten wir uns einen Platz unter den ersten Acht vorgenommen. Der fünfte Platz ist da bei der für uns kurzen Vorbereitung schon ein sehr guter Erfolg und eine gute Standortbestimmung. Die Platzierung bedeutet auch eine Einstufung in den B-Kader der Sportförderung, was die weitere Zusammenarbeit erleichtert.
Die Bahn in Aguascalientes ist wohl die schnellste der Welt. Das hat dazu beigetragen, dass wir eine gute Zeit und dem damit verbunden Deutschen Rekord gefahren sind.
Mit Ihrem Partner fahren Sie erst seit September 2013 zusammen. Wie klappt die Verständigung?
Mittlerweile sehr gut. Das gemeinsame Fahren muss man beim Tandem einfach üben. Das fängt mit dem synchronen Treten erst an. Wir trainieren ja meist auf der Straße. Da sage ich als Pilot an, ob gleich eine Kurve kommt oder ein Huckel, bei dem wir beide aus dem Sattel gehen sollten, wenn es nicht wehtun soll. Kai muss mir dabei vollkommen vertrauen. Kai sieht zwar auch, wenn ich aus dem Sattel gehe, aber wir sind mittlerweile so weit, dass er spürt, wenn ich das vorhabe.
Und wie steuert sich ein Tandem im Vergleich zum gewohnten Bahnrad?
Das ist etwas ganz anderes. Als Pilot muss ich das Rad ganz anders festhalten als auf meinem Solo-Bahnrad. Beim Steuern muss ich nun rund 90 Kilogramm Fahrer und Rad zusätzlich auspendeln, wenn wir aus dem Sattel gehen. Das habe ich anfangs vor allem in der Rückenmuskulatur gespürt.
Beim Wechsel zwischen Tandem und Einzel-Bahnrad muss ich mich jetzt tatsächlich kurz umgewöhnen. Wenn ich vom Tandem wieder auf das Solorad wechsele, dauert es erst mal ein paar Minuten, bis ich mich wieder komplett daran gewöhnt habe, alleine auf dem Rad zu sitzen. Da fährt man anfangs noch ganz schöne Schlenker.
Aber auch auf ein Tandem wirken ganz andere Kräfte ein. Beim Training im Frühjahr auf Mallorca hatten wir das vor allem bergab gemerkt. Als wir es wirklich einmal haben laufen lassen, hatte ich später gesehen, dass wir über 82 Stundenkilometer drauf hatten. Bergab kann ich nur hydraulische Bremsen empfehlen, bei anderen passiert erst mal nicht viel beziehungsweise es geht ihnen sozusagen schnell die Luft aus.
Auf der Straße geht es um Ausdauer und die Abstimmung auf dem Rad. Was trainieren Sie auf der Bahn?
Natürlich das Fahren auf der Bahn mit starrem Gang. Dazu kommen die speziellen Trainingseinheiten mit denen wir Schnelligkeit und Kraft (Antritte) trainieren. Gerade bei den 1000 Metern ist vor allem der Start aus der Startmaschine ausschlaggebend für das Rennen. Mit einem guten Start und einer guten Anfahrleistung legt man den Grundstein für eine schnelle Zeit.
Erklärung:
Bei einzelnen Bahndisziplinen starten die Fahrer aus einer Startmaschine, auch Startblock genannt. Das Bahnrad wird mit dem Hinterrad so festgehalten, dass das Rad auf der Bahn senkrecht steht und erst frei ist, wenn das Rennen beginnt.
Beim Start kommt es vor allem darauf an, gleichzeitig die Kraft auf die Pedale zu bringen. Wenn einer zu früh Druck macht, verpufft ein Teil der Energie, weil der andere noch nicht so weit ist. Das lief in Mexiko noch nicht perfekt. Beim 1.000-Meter-Zeitfahren kommt es vor allem auf die erste Runde an. Was man hier verliert, holt man später nicht mehr auf.
Wie geht es mit dem Projekt Paralympische Spiele 2016 weiter?
Wir werden weiter am Start arbeiten und schauen, wie wir noch mehr Druck aufs Rad bekommen. Dann gilt es, das Tandem in einigen Details noch abzustimmen.
Bei den Cottbusser Nächten vom 22. bis 24. August starten wir bei einem Tandem-Rennen über 1.000 Meter, 4000 Meter und Sprint.
Und abseits des Tandems?
Im Juni starte ich mit einem Vierer-Team beim Race Across America mit Unterstützung von Stevens. Geplant ist, die Vorteile von Zeitmaschine und Rennrad zu verbinden. Das Zeitfahrrad für die flache Ebene ist ein Stevens Volt, dem Vorgänger des Stevens Supertrofeo. Und das Stevens Ventoux Disc eignet sich mit den hydraulischen Scheibenbremsen und der komfortablen Sitzposition gut für die Berge und generell die lange Strecke. Ausgestattet ist es mit der elektronischen Rennradgruppe Shimano Ultegra Di2.